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Donnerstagabend. Halb sieben. Wir stehen auf einem kleinen Hinterhof in Altona. Inmitten von alten Autos. »I don’t brake for Comic Sans«, steht auf einem geschrieben. Hier wollten wir aber gar nicht hin. Oder doch? Auf einem Bully stand in blauen Lettern »GIN SUL« geschrieben. Irgendwo musste diese Spirituosen Manufaktur doch sein. Ah da. In einer Ecke versteckt steht eine kleine Tür offen. Das Schild mit dem Aufdruck »GIN SUL« verrät uns, dass wir wohl doch richtig sind.

Wir laufen an einer Reihe Pipetten vorbei. Huch. Das hätten wir nun nicht erwartet. Wie schön das hier ist. Eine funkelnde Kupfer-Destillieranlage blitzte uns entgegen. Alte handbemalte Kacheln an den Wänden, überall Gin-Flaschen, -Kisten und alte Holzfässer. Richtig schön urig ist das hier in dem schummrigen Licht. Wird wohl der Showroom sein. Gleich werden wir bestimmt durch die Manufaktur geführt, das kann ja nicht alles sein.

Zur Begrüßung gab’s direkt einen Gin-Tonic in die Hand. Garniert mit Rosmarinzweig und Orangenzeste. Das ist mir sympathisch, so mag ich Gin-Tonic am liebsten. Und das Glas gefiel mir. Es wurden Oliven und geräucherter Schinken aufgefahren. Juhu! Erstmal was schnabeln. Schwups ging es auch schon los. Was eigentlich? Sorry, hab ich ob der schönen Location vergessen zu erwähnen: das Gin-Tasting, das ich von meinen Kollegen geschenkt bekam.

Die Idee.

Paul begrüßte uns freundlich und stiegt direkt ein. Er ist gelernter Destillateur – eventuell sollte ich nochmal umschulen –, mit Gesellenbrief und allem, was dazu gehört.

Stephan – ein alter Werber – hatte die Idee einen portugiesischen Gin in Portugal zu produzieren. Ein Grundstück dort hatte er bereits. Doch in dem kleinen Dorf stieß er auf sehr viel bürokratischen Widerstand, sodass er nach langem hin und her fast aufgeben wollte. Ein Glück haben ihn seine Freunde davon überzeugt das ganze in Hamburg zu machen.

Warum eigentlich Gin aus Portugal? Die Frage war einfach zu beantworten: dort wächst überall wilder Wacholder, somit ist das Land – was nebenbei noch wunderschön ist – prädestiniert dafür. Aber niemand macht etwas daraus.

Der portugiesische Gedanke ist auch in Hamburg geblieben. Immerhin haben wir hier eine sehr große portugiesische Szene. Hinzu kommt – erstaunlich, was ich an diesem Abend alles erfahren habe –, dass die hamburger Typschiffe oder HADAG-Fähre, wie sie jeder kennt, Ende der Siebziger nach und nach nach Lissabon verkauft wurden. Dort werden die Elbdampfer nun »Cacilheiros« genannt. Eines dieser »Cacilheiros« ziert sogar das Logo von GIN SUL.

»GIN SUL ist ein Hamburger Gin mit portugiesischen Wurzeln – eine hochprozentige Liebeserklärung an das kleine Land am Rande Europas.« Paul meinte etwas poetisch, dass in diesem Gin zwei Seelen stecken würden.

Der portugiesische Gin wurde also nun in Hamburg produziert. Aber wie läuft das eigentlich ab? Genau genommen ist Gin ein Geist, weil hier kein Alkohol erzeugt, sondern bloß aromatisiert wird. Sonst wäre es nämlich ein Brandt.  Ein Likör wird es dann, wenn der Alkohol mit Zucker versetzt würde. Verrückt, schon wieder was gelernt. Ehrlich gesagt dachte ich immer, dass Gin ein Brandt wäre.

Das erklärt aber auch, wieso Gin so unterschiedlich schmecken kann. Hinzu kommt noch die Tatsache, dass Gin im europäischen Spirituosen-Gesetz nicht näher definiert ist. Die einzigen Kriterien, die Gin erfüllen muss: Wacholder sollte bei mindestens 37,5% Vol. das vorherrschende Aroma ausmachen.

GnSl Flshn

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GnSl Bllge

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GnSl Gstrhre

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GnSl Gls

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GnSl Zttn

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GnSl Gstrhr

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GnSl Dstllr

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GnSl Slbstgmcht

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Die Rezeptur.

Bei GIN SUL wurde anscheinend recht lange an der richtigen Rezeptur gefeilt. Sie haben die Zutatenliste von vierzig Drogen – so lautet der Fachausdruck für »Botanicals«, also Gewürze – auf nur vierzehn reduziert. Denn weder der Portugiese noch der Hamburger brauchen viel Schi Schi. Es sollte ein bodenständiger frischer Gin werden.

Endlich, am 19.Januar 2014 wurde die erste Flasche Gin abgefüllt! Wie jung die noch sind, dachte die sind viel älter!

Hauptbestandteil ist natürlich Wacholder. Hinzu kommen Zitronenschale, Rosmarin, Piment, Lavendel, Zimt, Kardamomsdamen und Lackzistrose.

Lackzistrose? Was soll das denn sein? Das ist ein Zitrusgewächs, welches in Portugal zwischen dem wilden Wacholder wächst, quasi mit ihm verwoben ist. Riecht ein bisschen harzig, aber auch nach Bonbonladen. Ganz spannend.

Später kommt zum Alkohol noch frisches Wasser um den Gin auf 43% Vol. herunter zu mischen.

Die Zitronen – werden extra aus Portugal importiert – kommen in zweierlei Form in den Gin: Sowohl als frische Zitronenschale, als auch als Mazerat in Kombination mit dem Wacholder und ein paar anderen Botanicals.

Ein Mazerat ist ein Kaltauszug. Hierbei werden die Zutaten mit einer Alkohol-Wassermischung übergossen. Nach einer gewissen Ruhezeit haben sich die löslichen Stoffe aus den Botanicals gelöst und sind in den Alkohol übergegangen.

Die Destillation.

Die funkelnde kleine Destillieranlage ist tatsächlich die, in dem der Gin entsteht. Tatsächlich ist das hier alles echte Handarbeit in einer sehr kleinen Manufaktur. Sehr sympathisch.

Das Mazerat wird im Kessel angesetzt und muss dann ungefähr zwei Tage lang ziehen, ehe der Destillationsvorgang starten kann. Wann genau das Mazerat fertig ist, kann Paul erriechen.

Ist es endlich fertig, wird die kupferne Brennblase langsam erhitzt, bis der Alkohol beginnt zu verdampfen.

Auf dem Weg zum Geistrohr müssen alle Alkoholdämpfe den Geistkorb passieren. Im Geistkorb liegen frische Botanicals, wie Zitronenschale und Rosenblätter.

Das Geistrohr ist die gesamte Rohrverbindung zwischen Geistkorb und Kühler. Der Geistdampf muss sich durch enge Wege kämpfen, sodass hier bereits viel Wasserdampf wieder kondensiert, da Wasser einen höheren Siedepunkt als Alkohol hat. Somit wird der Geist viel aromatischer, da die Aromastoffe komplett unverdünnt mitgerissen werden.

Zum Schluss wird der Geist heruntergekühlt, sodass er wieder in seinen flüssigen Aggregatzustand übergeht. Der Vorlauf (die ersten kleinen Mengen) sind ungenießbar, da hier kaum Aromastoffe gelöst sind und die Flüssigkeit noch sehr ölig anmutet. Vor gefährlichen Alkoholen muss man keine Angst haben, da ausschließlich bereits gereinigter Alkohol verwendet wird.

Der Mittellauf wird zum späteren Gin verarbeitet. Beim Nachlauf haben sich so viele Aromastoffe angesammelt, dass dieser ebenfalls ungenießbar ist.

Die Abfüllung.

Das gleiche haben wir dann als Gruppe im kleinen Stile probiert. Auf dem Tisch stand eine Mini-Destille. Dabei erzählte Paul uns noch einiges zu den Zutaten, wir durften riechen und fühlen. Das war schon ein Erlebnis und wirklich spannend.

Der Vorgang brauchte ein wenig Zeit, also tranken wir in der Zwischenzeit noch einen Gin-Tonic und schauten uns die Abfüll-Anlage an. Die war eher unspektakulär und modern. Trotzdem passiert auch hier alles in Handarbeit. Die Flasche besteht aus Steinzeug – eine Hommage an den Urahn des Gins: den Genever, der fast ausschließlich in Tonkrüge abgefüllt wurde. Also ein Gin mit traditioneller Basis. Neben der hübschen Optik schützt diese Flasche die Gin-Aromen vor Licht und großen Temperaturschwankungen.

Auch wenn GIN SUL noch so ein junges Unternehmen ist, haben sie sich direkt an einer streng limitierten Sonderedition versucht: ein portweinfassgereifter Gin. Ruby Sul hieß das ganze. Wunderschöne Flasche, gestaltet von einem Hamburger Tätowierer. Hätte ich gerne probiert, leider war ich zu langsam.

Der perfekte Gin-Tonic.

Zurück in der Destille war unser Gin fast fertig. Wie aufregend. Alle probierten mal einen Tropfen. Man merkte, dass das noch ziemlich reiner Alkohol war, er verflüchtigte sich im Mund direkt. Der Geschmack war trotzdem ziemlich intensiv.

Es gab einen kleinen Drink-Exkurs. Limettensaft ist sehr gut, um ihn mit Gin zu mischen. Zum Beispiel im Martini, der ursprünglich eh mit Gin zubereitet wird, James Bond hat daraus dieses Vodka-Getränk gemacht. Ich persönlich mochte die Limetten-Drinks nicht so, ich bleibe lieber beim klassischen Gin-Tonic. Beim klassischen Gin-Tonic Deluxe wird neben der Garnitur im Glas auch noch das Glas mit Rosmarin und Orange aromatisiert, für ein noch aufregenderes Trink-Gefühl.

Unser Gin wurde in der Zwischenzeit mit Wasser verdünnt. Jeder durfte ein kleines Schnapsglas probieren. Schmeckte okay, aber wäre bei weitem nicht meine erste Wahl, trotzdem spannend! Nach knapp drei Stunden war der Abend dann auch vorbei.

War wirklich ein interessanter und informativer Abend, habe sehr viel gelernt und ihn mit allen Sinnen – zum Ende hin etwas schummrig – erlebt. Die coolen Gläser durften wir behalten. Ich liebäugelte noch mit dem Samova »Gin Soul« Tee, entschied mich aber dagegen. Man kann ja sonst nochmal vorbeikommen, die Tür steht immer offen. Wie persönlich. Ich mag so herzliche Manufakturen. Jedenfalls kann ich Dir dieses Gin-Tasting nur wärmstens ans Herz legen, es hat echt viel Spaß gebracht!

Saúde!

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