»Es gibt jetzt blauen Wein!«, so begrüßte mich ein Kollege letztes Jahr. Huch, was? Wie geht das denn? Ich musste recherchieren. Tatsächlich. »Gïk Live« hieß er. Ein azurblauer Wein aus Spanien und Frankreich. Blau. Hm. Ist das dann ein Rot- oder ein Weißwein? Oder eine komplett neue Sorte? Blauwein? Nee, das klingt doof. Ach, wie auch immer.
Letztes Jahr wollte ich diesen Wein schon bestellen, jedoch gestaltete sich das schwierig, da der Produzent nur nach Spanien lieferte. Ich fragte per Mail nach. Ich hätte mindestens drei Flaschen bestellen müssen. Der Versand wäre natürlich doppelt so teuer gewesen. Nee, das war mir zu bunt. Jetzt, da sie aber auch nach Deutschland liefern, musste ich zuschlagen!
Was ist da los?
Wieso blauer Wein? Die Antwort des Teams von Gïk ist: warum nicht? Was sind das für Menschen, die sich so etwas in den Kopf setzen? Ganz einfach: Menschen Mitte Zwanzig, die sich nicht sonderlich gut mit Wein auskennen. Es geht um kreative Rebellion gegen die Norm und das System! Es gibt übrigens keine feste Firmenadresse, weil die Mitwirkenden auf der ganzen Welt zuhause seien. Hm. Klingt schon etwas skurril.
Wo es ihnen an Wein-Kenntnissen fehlt, strotzen sie aber vor Kreativität und Innovationsgeist, denn es ist ein Team, welches aus den verschiedensten Lebensbereichen zusammengekommen ist: Informatik, Design, Musik und Kunst. Der blaue Wein entstand einfach zum Spaß, um zu schauen. was passiert. Und um etwas Neues zu entwickeln, etwas, was man so noch nicht kennt.
Der Wein basiert auf der Idee des Buches The Blue Ocean Strategy. Hierbei steht der rote Ozean voller Haie für Konkurrenz, der blaue Ozean hingegen für friedliches Miteinander. Das klingt schön. Das beantwortet auch meine Frage: Gïk ist es Rotwein. Blau steht für Bewegung, Innovation und Unendlichkeit. Schön und gut.
Bei dem Wein steht nicht die Traube im Mittelpunkt, sondern der Mensch. Bevor Du den Wein probierst, sollst Du alles vergessen, was Du über Wein weißt – puh, ein Glück bin ich auf dem Gebiet nicht so bewandert. Herkunft, Standards beim Servieren, Traditionen, all das Wissen wird also erst einmal über Bord geworfen. Wo geht die Reise dann aber hin? Ist doch egal. Wohin Du willst.
Wie sieht’s aus?
Der Wein ist also blau. Und zwar wirklich knallblau. Hätte ich echt nicht gedacht, bis ich die Flasche in den Händen hielt. Ziemlich beeindruckend. Und schön. Das Etikett ziert ein Labrador. Er trinkt Gïk. Aus zwei Gläsern gleichzeitig. Was soll uns das sagen? Lebe dekadent? Tu, was Dir gefällt? Wahrscheinlich beides.
Ich persönlich finde die alte Gestaltung, den Gottsaurus – auf Basis eines Gemäldes von Da Vinci –, wesentlich schöner und auch passender, denn das Design transportiert viel mehr den Gedanken, aus tiefsten Traditionen etwas neues zu kreieren.
Was ist drin?
Gïk wird mit Pigmenten versetzt. Vorher werden weiße und rote Trauben gemischt – herrje, doch kein Rotwein –, ehe zwei natürliche und organische Pigmente hinzugefügt werden: Indigo und Anthocyan. Beide stammen aus der dünnen Haut der Weintraube. Verrückt, dass sich die Farbe des Weins dann so einfach zu einem wunderschönen Meeresblau verändert. Zwei ganze Jahre dauerte es, bis der Wein den Farbton annahm, den er jetzt hat. Krass.
Außerdem ist Gïk frei von Zuckerzusatz, damit der Wein nicht in der Flasche nachgärt. Klingt plausibel. Der Kalorienfaktor wird vom Produzenten ebenfalls in den Vordergrund gerückt. Aber ich glaube, der Grund ist in Wirklichkeit eher nachrangig. Süßungsmittel sind anscheinend trotzdem enthalten.
11,5% Vol. Sind in dem azurblauen Gesöff enthalten. Aber auch diverseste Farbstoffe. Offiziell alles natürlich.
Wie schmeckt’s?
Die Frage, die ich mir ungefähr eine Woche stellte, nachdem mein Paket ankam: wie trinkt man den Wein? Warm? Kalt? Ach warte, ist ja egal. Wie ich mag. Ist ja Weiß- und Rotwein in einem. Ich stopfte die Flasche also in den Kühlschrank. Als ich sie rausholte, stach mir dann auch der Schriftzug »Serve chilled« ins Auge. Alles richtig gemacht!
Ich setze den Korkenzieher an – ja, den Korkenzieher, auch wenn man bei dem Wein eher einen Schraubverschluss erwartete – und der beigefarbene Wachskorken ploppte heraus. Es rauchte etwas. Das Glas füllte sich. Ich begutachtete den Wein. Er zog schlieren. So schlecht kann er dann ja also nicht sein.
Ich nippte daran. Ganz schön süß. Trotzdem säuerlich. Und dumpf. Fast schon etwas muffig. Hm. Das will mir wohl nicht so gut gefallen. Erinnert mich an diesen Erdbeersekt, den man damals in seiner Jugend gerne getrunken hat. Nur in abgestanden. Nicht unbedingt meins. Ich steh mehr auf fruchtige Weine. Der hier ist absolut nicht fruchtig. Aber was mach ich nun mit dem Wein? Immerhin hab ich zwei Flaschen geordert. Vielleicht geht’s ja als Schorle. Als süße Schorle. Also zack die Sprite-Flasche aus dem Kühlschrank geholt und aufgefüllt. Doch. Das schmeckt. Mit Wasser wiederum nicht so gut. Somit hat sich Gïks Bestimmung gefunden: es ist ein Mischwein. In doppelter Hinsicht.
Fazit.
Der Wein schlägt mit 9 Euro pro Flasche zu Buche! Den Preis finde ich ehrlich gesagt ziemlich happig für einen Wein, der pur gar nicht mal so gut schmeckt. Da kaufe ich mir lieber eine Flasche vom Weingut Nett. Nebenbei bemerkt produzieren die wirklich mit Abstand mein liebster Weißwein.
Aber zurück zu Gïk: die Flasche macht sich im Weinregal recht gut. Das ist Fakt. Als Partygag ist der Wein auch nicht von der Hand zu weisen – allerdings nur, wenn man das nötige Kleingeld mitbringt.
Das Marketing rund um den indigoblauen Wein ist gut gelungen, keine Frage. Lustige Bilder, freche Aussagen, spricht die junge Zielgruppe auf jeden Fall an. Die Neugier übernimmt dann den Rest. So war es zumindest bei mir.
Dennoch überzeugt mich das Produkt leider keineswegs. Echt schade, wenn man bedenkt, dass ich mich seit einem Jahr darauf gefreut habe, diesen Wein zu probieren. Aber das weiß man ja leider nie vorher. Vielleicht magst Du den Wein ja. Wer weiß das schon?
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